von Sebastian Heimann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Familienverbandes e.V. (DFV)

Portrait

Die Erziehung und Betreuung von Kindern ist eine der schönsten und zugleich verantwortungsvollsten Aufgaben im Leben von Müttern und Vätern. Mit ihrer Liebe, Zeit und Arbeit ebnen sie ihrem Nachwuchs den Weg in das Leben.

Darüber hinaus erfüllen Eltern eine wichtige Rolle für den Staat, denn ohne Kinder wäre das Leben nicht nur ziemlich langweilig, wir hätten ein gewaltiges Problem: Die Kranken könnten nicht mehr versorgt werden, weil es an Ärzten fehlt, die Feuerwehr würde nicht ausrücken, weil es keine Feuerwehrmänner geben würde und so weiter. Kinder sind schlichtweg unentbehrlich für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft.

Kurzum: Familien sind die Basis eines jeden Staates, denn sie sorgen durch Erziehung der nächsten Generation für Innovation in Wirtschaft, Politik und Kultur. Sie schaffen damit die Grundvoraussetzungen für ein lebendiges und funktionierendes Gemeinwesen. Der Gesetzgeber weiß um diese überaus wichtige Bedeutung der Familie und wurde vom Verfassungsgeber im Grundgesetz verpflichtet, die Familie zu schützen und zu fördern.

Eine gerechte Familienpolitik müssen Familien oft erstreiten

Die Praxis des familienpolitischen Sammelsuriums ist hingegen ambivalenter Natur. Es wäre natürlich unfair zu sagen, dass es keine Gesetze gibt, die Familien unterstützen oder ihnen in besonderen Situationen helfen würden, wie beispielsweise der Mutterschutz oder die Elternzeit.

Es ist aber nicht alles Gold, was die Politik glänzend macht. Immer wieder kursiert die Summe von angeblichen 200 Fördermilliarden Euro durch die Presse, die über den Familien ausgeschüttet werden. Doch leider merken die meisten Familien nichts von diesem reichen Geldsegen. Warum eigentlich nicht? Ganz einfach. Rechnet man die Summen des Bundesfamilienministeriums nach, findet man heraus, dass ¾ dieser Leistungen im engeren Sinne überhaupt keine Familienförderung sind.

Leider ist überhaupt kein Märchen, dass sich Familien paradoxerweise immer wieder vor dem Bundesverfassungsgericht gegen eine Politik wehren müssen, die sie entgegen des Wortlautes unserer Verfassung benachteiligt und ihnen die Grundlagen zur gesellschaftlichen Teilhabe entzieht:

  • Das steuerfreie Existenzminimum ist heute elementarer Bestandteil einer am Prinzip der Leistungsfähigkeit und der horizontalen Steuergerechtigkeit anknüpfenden Einkommensbesteuerung. Das mussten Eltern für sich und ihre Kinder 1990 im Steuergerechtigkeitsurteil mühevoll erstreiten.
  • Zwei Jahre später, 1992, standen mit der Unterstützung des Deutschen Familienverbandes (DFV) Familien abermals vor dem Bundesverfassungsgericht und prangerten die rentenrechtlichen Ungerechtigkeiten gegenüber Eltern, vor allem kinderreichen Müttern, an. Dem Gesetzgeber wurde im s.g. Trümmerfrauenurteil auferlegt, die Kindererziehung zu berücksichtigen und Benachteiligungen von Familien in der Rente bei jedem weiteren Reformschritt zu verringern.
  • Das nächste große Familienurteil hatte das Bundesverfassungsgericht im November 1998 gefällt. Neben wichtigen Vorgaben zur steuerlichen Behandlung von Familien stellten die Richter klar, dass der Staat die von Eltern im Dienste des Kindeswohls getroffenen Entscheidungen anzuerkennen hat und daran keine benachteiligenden Rechtsfolgen knüpfen darf. Im Kern bekräftigte das Kinderbetreuungsurteil das Grundrecht auf Wahlfreiheit, d.h, dass die Kinderbetreuung in der jeweils von den Eltern gewählten Form ermöglicht und gefördert werden muss.
  • 2001 entschieden die Karlsruher Richter, dass Eltern verfassungswidrig benachteiligt werden, wenn sie die gleichen Beiträge zur Pflegeversicherung zahlen müssen, wie diejenigen, die keine Erziehungs- und Betreuungsleistungen zu tragen haben. Mit dieser wegweisenden Entscheidung unterstrich das Bundesverfassungsgericht das Recht der intragenerationellen Gerechtigkeit zwischen Menschen mit und ohne Kinder und legte dem Gesetzgeber auf, das Pflegeversicherungsurteil auch für die Kranken- und Rentenversicherung zu prüfen.

Familien stehen abermals vor den Toren der Verfassungshüter

Mit den vier großen Familienurteilen hat das Bundesverfassungsgericht wichtige Meilensteine in der Familienpolitik gesetzt, die der Gesetzgeber aber nur auf Minimalniveau erfüllte oder eine gesetzliche Lösung gewählt hatte, die im Grunde gegen Wortlaut und Geist der Urteile verstößt.

Aus diesem Grund initiierten der Deutsche Familienverband (DFV) und der Familienbund der Katholiken (FDK) den ersten Elternaufstand der Bundesrepublik mit der Kampagne „Wir jammern nicht, wir klagen!“ (www.elternklagen.de). Die beiden Familienverbände haben sich zum Ziel gesetzt, das fünfte Familienurteil des Bundesverfassungsgerichts zu erstreiten.

Im Rahmen der Kampagne legten schließlich knapp 380 Familien im Dezember 2015 Verfassungsbeschwerde gegen den Pflegevorsorgefonds ein, der derzeit jährlich mit 1,2 Milliarden Euro aus der gesetzlichen Pflegeversicherung finanziert wird, um ab 2035 die Beitragssätze zu stabilisieren. Entgegen den ursprünglichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts werden Eltern nun zur Abfederung eines demographischen Problems herangezogen, für das sie gar nicht verantwortlich sind.

Thorsten Kingreen, Professor am Lehrstuhl für Sozial-, Gesundheits- und Öffentliches Recht an der Universität Regensburg, stellte im März 2016 für uns eine weitere Verfassungsbeschwerde, die sich gegen die gleichheitswidrige Benachteiligung von Versicherten mit Kindern durch das Beitragsrecht der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung wendet.

Es ist schlichtweg bedauerlich, dass sich Familien immer und immer wieder mühevoll durch die Instanzen klagen müssen, um die Verfassungstreue des Gesetzgebers sicher zu stellen.

Über eines müssen wir uns klar werden: Familien sind keine Bittsteller, sondern die Leistungsträger unserer Gesellschaft, die eine liberale, soziale und gendergerechte Familienpolitik erwarten, die ihren Bedürfnissen voll und ganz gerecht wird.

 


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