von Dr. Klaus Zeh, Präsident des Deutschen Familienverbandes (DFV)
„Das ist ein Urteil vom Bundesverfassungsgericht!“ Es gibt wenige Sätze, die eine ähnliche Aussagekraft haben. Seit nunmehr 65 Jahren ist die oberste richterliche Instanz in Deutschland damit betraut, das Grundgesetz zu hüten.
Nicht nur Bürgerinnen und Bürger können Verfassungsbeschwerde einlegen, wenn sie ihre grundrechtlich garantierte Freiheit gegenüber dem Staat durchsetzen wollen. Auch für die Politik hat das Bundesverfassungsgericht große Bedeutung, denn es entscheidet über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen. 16 Richterinnen und Richter haben die Aufgabe, für die freiheitlich-demokratische Grundordnung unseres Landes einzutreten – unabhängig von politischen Prämissen, Zielen oder Unwägbarkeiten.
Das oberste Gericht hat in 65 Jahren wegweisende Urteile gesprochen. Familienpolitisch stehen vier für uns im Vordergrund: Das Urteil zum steuerfreien Existenzminimum (1990), das „Trümmerfrauen“-Urteil (1992), das Kinderbetreuungsurteil (1998) und das Pflegeversicherungsurteil (2001).
Grundlage für diese höchstrichterlichen Entscheidungen waren und sind Artikel 3 Absatz 1 (Gleichheit vor dem Gesetz) und Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes: Der wichtige Familienartikel stellt Ehe und Familie unter den „besonderen Schutz der staatlichen Ordnung“. Er verpflichtet den Staat, die Familie als kleinste Keimzelle der Gemeinschaft zu achten, sie vor Eingriffen und Benachteiligungen zu schützen und gebietet außerdem, sie aktiv zu fördern.
Doch bisher mündete das Gebot der Richter weder in eine Politik, die bei jeder Gesetzgebung prüft, ob sich eine neue Regelung auf Familien auswirkt – noch werden die genannten Verfassungsgerichtsurteile gesetzgeberisch umfassend umgesetzt. Ein Beispiel: Das Pflegeversicherungsurteil vom 3. April 2001 erklärte die Beitragsbemessung der Pflegeversicherung für unvereinbar mit dem Grundgesetz, denn Versicherte mit Kindern und ohne Kinder wurden damals mit dem gleichen Beitrag belastet.
Da Eltern aber einen generativen und einen finanziellen Beitrag leisten, gaben die Richter dem Gesetzgeber vor, bis Ende 2004 eine Neuregelung zu schaffen, die Familien künftig finanziell entlastet. Auch die übrigen Zweige der Sozialversicherungen (Renten- und Krankenversicherung) sollten auf die Doppelbelastung von Familien hin überprüft werden. Das Ergebnis war alles andere als familiengerecht.
Seit 2005 müssen Kinderlose zwar einen nur geringfügig höheren Pflegeversicherungsbeitrag (+0,25 Prozentpunkte) zahlen. Doch das Geld entlastet nicht wie geboten Familien, sondern „verschwindet“ in der Pflegekasse. Nach wie vor zahlen Eltern mit einem Kind, mit drei oder sechs Kindern gleich hohe Beiträge ein. Ungleiches wird also – auch 15 Jahre nach dem Verfassungsgerichtsurteil – in der Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung gleich behandelt. Und eine finanzielle Entlastung findet nach wie vor nicht statt.
Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, mit der Kampagne „Wir jammern nicht – Wir klagen!“ erneut für Familiengerechtigkeit einzutreten. Nach einem guten Jahr konzentrierter Arbeit und unterstützt von mehr als 2000 engagierten Familien liegen im Augenblick drei Verfassungsbeschwerden in Karlsruhe und warten auf eine Annahme und Entscheidung der obersten Richter.
Denn sie haben die Aufgabe, das Grundgesetz zu schützen und damit der Politik einen konkreten Handlungsrahmen vorzugeben. Familien dürfen nicht länger doppelt zur Kasse gebeten werden! Sie sind die Säulen unserer Gemeinschaft und sorgen durch ihr persönliches Engagement verlässlich dafür, dass unser Land eine Zukunft hat.
Der CDU-Politiker Dr. Klaus Zeh wurde 1952 in Leipzig geboren und studierte Informationstechnik und Ingenieurspädagogik. Seit 1989 engagiert sich Klaus Zeh politisch. Er war stellvertretender Vorsitzender des Demokratischen Aufbruchs. Im Freistaat Thüringen war Dr. Klaus Zeh von 1990 bis 2012 Mitglied des Landtags, Finanzminister (1990-94) und Familienminister (2003-2008) sowie Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei (2008-2009). Seit 2012 ist er Oberbürgermeister der Stadt Nordhausen. Der Präsident des Deutschen Familienverbands ist verheiratet und hat zwei Kinder.
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