von Matthias Milke

milke_fotoEin Leserbrief an den Tagesspiegel zum Artikel „Kinderlose beneiden“ vom 1. Juni 2016

Gerade Familien mit vielen Kindern wird oft das Gefühl vermittelt, vom Staat, von anderen Steuerzahlern massiv finanziell unterstützt zu werden. Wir sollten doch gefälligst dankbarer sein und nicht immer nur fordern. Dabei steht Familien durchaus mehr zu, wir trauen uns nur nicht. „Die positiven Seiten des Sozialneids werden unterschätzt“, schreiben Sie ganz richtig. Gestatten Sie mir trotzdem auf einige Fehler in Ihrer Argumentation aufmerksam zu machen.

Das Ehegattensplitting ist kein Instrument der Familien- oder Kinderförderung und kann daher nicht daran gemessen werden. Das Ehegattensplitting ist überhaupt keine Förderung, sondern gleicht einen Nachteil aus. Es stellt sicher, dass Ehepaare mit dem gleichen Gesamteinkommen auch gleich besteuert werden.

So können Ehepaare frei entscheiden, wie sie ihre Arbeitszeit untereinander aufteilen; z.B. wegen Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen. Würde der Splittingeffekt wegfallen, zahlen Ehepaare mit unterschiedlichem Einkommen mehr Steuern als Paare mit gleichem Einkommen. Es bringt ihnen also keine 500 € mehr ein, wenn Ihre Frau zu Hause bleibt und Sie mehr Ehrgeiz in Ihre Karriere stecken. Bleibt das Gesamteinkommen gleich, bleibt auch die Steuerlast gleich. Im Übrigen gilt das Splitting auch für homosexuelle Lebenspartnerschaften.

Wo wir Familien aber wirklich massiv benachteiligt werden, das sind unsere sozialen Sicherungssysteme; egal ob Renten-, Pflege- oder Krankenversicherung: Familien zahlen doppelt.

Zum einen zahlen wir die gleichen Beiträge wie alle anderen. Zum anderen investieren wir gleichzeitig in Erziehung, Bildung und Betreuung unserer Kinder, die einmal die Rentenbeiträge für uns und alle Kinderlosen erwirtschaften sollen. Im Steuerrecht gibt es Freibeträge. Das Existenzminimum darf nicht besteuert werden. Bei den Sozialversicherungen zahlen wir ab dem ersten Cent Einkommen brav unsere Beiträge; selbst für das Geld, was unseren Kindern zusteht, werden Beiträge abgeführt. Und das Ganze nennt sich „beitragsfreie Mitversicherung“.

Eltern, insbesondere Mütter, bezahlen das mit niedrigen Renten, während Kinderlose, dank ununterbrochener Erwerbsbiographie von Maximalrenten profitieren. Hier brauchen wir im Wahlkampf ganz dringend eine Neiddebatte.

Da von den politisch Verantwortlichen keine Besserung zu erwarten ist, haben sich einige Familien auf den Klageweg gemacht. Getreu dem Motto: „Wir jammern nicht – wir klagen“ gingen sie durch alle Instanzen und stehen jetzt nach über 10 Jahren vor dem Gang zum Bundesverfassungsgericht. Der Familienbund der Katholiken und der Deutsche Familienverband unterstützen diese Familien, u.a. mit der Aktion „Elternklagen“.

Matthias Milke ist Geschäftsführer des Familienbundes der Katholiken im Erzbistum Berlin, Landesverband Berlin-Brandenburg e.V.


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