von Georg Zimmermann, Landesgeschäftsführer des Familienbundes der Katholiken in Baden-Württemberg (FDK)
Am 30. September standen Markus und Kathrin Essig mit ihren drei erwachsenen Kindern vor dem Bundessozialgericht (BSG) in Kassel. Ihre Familie war vom BSG aus drei Freiburger Musterklagen zur mündlichen Verhandlung ausgewählt worden.
Die Klägerfamilie Essig
Markus (50) als hauptberuflicher Diakon und Katharina (48) als Verwaltungsfachkraft in der Erwachsenenbildung von Ehe+Familie sind beide in der Katholischen Kirche in Freiburg tätig. Anfang der 1990er Jahre, als die Kinder – Antonia(25), Lukas (23) und Paulina (20) – geboren wurden, pausierte Kathrin beruflich für acht Jahre, bis Paulina mit drei Jahren in den Kindergarten konnte. In diesen Jahren, als es im Geldbeutel immer enger wurde, wurde die Familie auf die Arbeit des Freiburger Familienbundes aufmerksam, der sich schon damals intensiv mit dem „Familienlastenausgleich“ – von Kindergeld über Wohnbauförderung bis gerechte Renten für Kindererziehung – beschäftigte und familiengerechte Lösungen von der Politik forderte.
„Wir merkten schnell“, so Markus und Kathrin Essig, „dass die Überlegungen und Forderungen des Familienbundes sehr konkret unseren Familienalltag im Blick hatten und die Familienpolitik ihren Namen eher nicht verdiente“.
Folgerichtig setzen sich die Eheleute Essig zunehmend mit familienpolitischen Themen auseinander und traten Mitte der 1990er Jahre in den Familienbund ein. In der Familienpolitik sind seit dieser Zeit bis heute die wesentlichen Impulse für mehr Familiengerechtigkeit praktisch immer durch Urteile des Bundesverfassungsgerichtes eingefordert – allerdings oft nur halbherzig oder gar nicht durch die jeweiligen Bundesregierungen umgesetzt worden.
Der Freiburger Familienbund hat daraus die Konsequenzen gezogen und mit vielfältigen Aktionen Eltern aufgefordert, sich gegen die Ungerechtigkeiten zu wehren. So auch mit der Aktion „Nach uns die Sintflut? Jung und alt in einem Boot“ in den Jahren 2004 und 2005, die letztlich der Start der Musterklagen war. Familie Essig, als Mitglied im Familienbund, war natürlich direkt über die Aktion informiert.
„Endlich wurde mal öffentlich und leicht verständlich dargestellt, wie die finanzielle Benachteiligung für Eltern in den Sozialversicherungen aussieht“, so Kathrin und Markus Essig gleichlautend, „Dass der Gesetzgeber trotz des eindeutigen Bundesverfassungsgerichtsurteils nichts getan hat, hat uns sehr geärgert. Wir haben unseren Antrag auf Beitragsreduzierung gestellt und uns dann entschlossen, auf Anregung des Freiburger Familienbundes und mit dessen Unterstützung, eines der drei Musterverfahren zu führen und uns, wenn nötig, bis zum Bundesverfassungsgericht durch zu klagen.“
Nach dem Klageweg durch die Instanzen – Freiburger Sozialgericht, Landessozialgericht Baden-Württemberg – sind Essigs mit den beiden anderen Musterklagefamilien im Herbst 2012 beim Bundessozialgericht in Kassel angekommen – erst am 30. September 2015 war die mündliche Verhandlung, der vom BSG ausgewählten Klage Essig.
Die Richter des Bundessozialgerichtes sahen keinen Entlastungsbedarf bei den Beiträgen in der Pflege-, Renten- und Krankenversicherung für Familien. Damit war die mündliche Verhandlung für die Familie Essig nicht erfolgreich.
Was nun Familie Essig?
„Das Ergebnis ist ärgerlich und enttäuschend“, sagen die Eheleute Essig. „Ärgerlich“, so Markus Essig weiter, „weil die Richter absurde Begründungen und falsche Zahlen für ihre Urteilbegründung in der mündlichen Verhandlung vorgetragen haben. Die klare und überzeugende Revisionsbegründung unseres Prozessbevollmächtigten Prof. Dr. Thorsten Kingreen wurde offenbar nicht verstanden und nicht widerlegt“.
Beide weiter: „Natürlich ist das Ergebnis für uns enttäuschend, wir haben mit unseren Prozessbevollmächtigten, dem Familienbund und vielen anderen, auf eine direkte Vorlage beim Bundesverfassungsgericht gehofft. Das ist für uns um so verwunderlicher, da es immer klar war und ist, dass es um die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze geht, also immer erst in Karlsruhe die endgültige Entscheidung fallen kann“.
Und wie geht es jetzt weiter?
„Wegen der für uns völlig unverständlicher Vorgehensweise der Richter haben unsere Prozessbevollmächtigten eine Anhörungsrüge wegen „Verweigerung rechtlichen Gehörs“ beim Bundessozialgericht eingelegt“, erläutert Markus Essig. „Die Richter wollten trotz wiederholter Nachfrage nicht mit unseren Prozessbevollmächtigten reden, das ist doch unglaublich“, ergänzt Kathrin Essig. Beide: „Ganz klar – wir machen weiter bis zum Bundesverfassungsgericht!“
Quelle: Familienbund der Katholiken: Forum Familie, Nr. 67, Nov. 2015
Zufrieden mit unserem Engagement? Ihre Spende hilft unserem Engagement für Familien!
Grundsätzlich erst mal Nachvollziehbare Begründungen.
Aber:
Es wird immer davon ausgegangen, dass die eigenen Kinder die Renten für zukünftige Generationen sichern. Aber diese Rechnung wird nicht aufgehen. aus welchen Töpfen soll die Solidargemeinschaft aktuell die Kosten und Leistungen erbringen, wenn sich aufgrund der Familiären Verhältnisse die genannten 11 Millionen ein Stück weit davon entfernen, indem niedrigere Beiträge eingezahlt/ abgeführt werden sollen. Hier werden kurz über lang wieder alle in irgendeiner Form benachteiligt, über steigende Sozialabgaben für alle.
Sicherlich würden Familien mit Kindern weniger zahlen als kinderlose, in der Gesamtbetrachtung aber mindestens genau soviel wie heute. Außerdem, was ist mit Paaren, die ungewollt kinderlos bleiben/ geblieben sind? sollen die durch eine Mehrbelastung abgestraft werden?
Es gibt viel Ungerechtigkeit….gewiss zum Beispiel ist das Kirchenarbeitsrecht dem allgemeinen Arbeitsrecht auch noch ein paar Jahrzehnte hinterher. Da könnte man auch was machen.